Reif für die Inselbuchhandlung

Vor einem Jahr fing alles an. Am 9. März erreichte Franziska Hampel die Mail einer früheren Kollegin: „Stimmt das, dass ein Traum von Dir eine Buchhandlung auf einer Insel ist?“

9. März 2022 Lesedauer 6 min 2

Es stimmte. Und kam noch besser. Die Buchhandlung, die zum Verkauf stand, lag auf Fehmarn, der Insel, auf der sie seit Jahren am liebsten ihre freie Zeit verbringt.

Heute – ein Jahr später – ist der Traum wahr. Sonnenseiten heißt die neue Buchhandlung, die Franziska Hampel, Sortimentsbuchhändlerin und ehemalige Libri Marketingleiterin, am 1. Januar 2022 in Burg auf Fehmarn an neuem Standort, ein Haus weiter, eröffnete.

Die Begeisterung ist ihr bei jedem Satz anzuhören, den sie über ihre Buchhandlung sagt. „Die Kunden kommen in den neuen Laden, bleiben stehen und sagen ‚Ist das schön geworden!‘. Sie freuen sich mit mir und schätzen es sehr, dass es weiterhin eine zweite Buchhandlung auf der Insel gibt. Der Laden wird gut angenommen, es kommen auch viele junge Leser*innen.“  Das Zauberwort heißt vor allem Inspiration.

Das Zauberwort heißt Inspiration.

Die Kund*innen bleiben – trotz Corona und Maske – lange im Laden, stöbern ganz in Ruhe und lassen sich von der Auswahl an Büchern und schönen Dingen inspirieren. Eine junge Frau, die im Laden stöbert, bringt es auf den Punkt: „Das ist ungewöhnlich hier. Es gibt so viel zu entdecken!“ Und das liegt nicht nur an dem schön dekorierten Frühlingstisch, der mitten im Laden steht. Auffallend sind – wie man es von einer Marketingfrau auch erwartet 😉– die Regalüberschriften. Sie geben den Büchern einen anderen Rahmen und holen die Kunden direkt bei ihren Lese-Bedürfnissen ab. „Lachen und Entspannen“ für leicht zu lesende Bücher und witzig Geschriebenes, unter „Horizonte erweitern“ finden sich die aktuellen Themen, „Das gute Leben“ summiert Kochen mit Gesundheit und Yoga und mit „Lesen heilt von A-Z“ hat Franziska Hampel ihre ganz besondere Leseapotheke zusammengestellt. Hier finden sich die Themen Angst, Alter, Demenz, Depression, aber auch Liebeskummer, denen sie statt Ratgebern Romane und Autobiographien zugeordnet hat. Geschichte und historische Romane haben die augenzwinkernde Überschrift „Früher war alles besser.“ Und auch Gedichte finden unter dem Motto „Lyrik entschleunigt“ einen Platz im Laden und werden gekauft.

Eine auffallende Wandfarbe in kräftigem blau-lila und eine besondere Zettel-Lampe machen schon von außen neugierig und ziehen Kund*innen in den großzügig gestalteten Laden. Bei der Planung hat Franziska Hampel auf Barrierefreiheit und entsprechende Abstände geachtet, die Buchhandlung bewusst nicht „zugestellt“. Das loben die Kund*innen immer wieder. Für Kinderwagen und Rollatoren ist Platz in dem großzügigen Laden mit seinen 90 qm, den sie mit Unterstützung einer Mitarbeiterin ihrer Vorgängerin führt.

Ihr Kundenmix besteht aus den Einheimischen wozu sie auch die Zweitwohnungsbesitzenden zählt und den Urlauber*innen, die von Ostern an auf die Insel strömen. Sonnenseiten hat ein allgemeines Sortiment und holt Leser*innen aller Altersgruppen ab. Die Möglichkeit der Bestellung ins Abholfach über den Onlineshop sonnenseiten-fehmarn.de wird gut angenommen und freut vor allem die Generation, für die Onlineshopping zum Leben dazugehört. „Ich spreche aktiv über den Shop mit allen Kund*innen. Ich weiß, dass Menschen oft den bequemsten Weg wählen und gerne auch bei Amazon bestellen. Deshalb sage ich ihnen, dass es für mich vollkommen in Ordnung ist, wenn sie sich das Buch in meinem Webshop bestellen und nach Hause schicken lassen.“

Franziska Hampel, Inhaberin der Buchhandlung "Sonnenseiten" auf Fehmarn

Als Buchhändlerin lernt Franziska Hampel jetzt die Libri-Produkte aus der anderen Perspektive kennen, sieht die Zeitengpässe des buchhändlerischen Alltags und ist dankbar, dass ihr das Libri Shopline-Team so viel inhaltliche Arbeit abnimmt, um den Webshop aktuell zu halten. „Die Shopline-Redaktion leistet großartige Arbeit und reagiert schnell auf aktuelle Ereignisse. Mit wenigen Klicks konnte ich den Shop an den Sonnenseiten-Look anpassen. Zusammen mit GoogleMyBusiness und ein paar Ads bin ich online gut aufgestellt.“ Die Marketingfrau in ihr hadert damit, dass sie nicht immer dazu kommt, auf Instagram und Facebook zu posten und hat jetzt Verständnis für ihr ehemaliges Buchhandels-Klientel, das nicht immer so engagiert auf Marketingaktionen reagierte, wie erwartet.

Zeit bekommt in der Selbstständigkeit eine neue Bedeutung, schließlich gibt es immer etwas zu tun. „Auch wenn sich die eigene Buchhandlung wie das zweite heimische Wohnzimmer anfühlt, habe ich gleich zu Beginn ein Ritual geschaffen: Sonntag habe ich frei.“ Trotz Bädergesetz bleibt die Buchhandlung sonntags geschlossen. „Sonntags lesen wir für Sie“, steht auf dem kleinen Schild an der Tür.

Bei der Sortimentsauswahl schafft Franziska Hampel sich zunächst einen Gesamtüberblick anhand der Verlagsvorschauen. „Ich kaufe aber nicht gleich alles beim Vertreter*innenbesuch ein. Über Netgalley fordere ich mir die für mich am interessantesten Leseexemplare an und lese sie an. Wenn mich ein Titel packt, dann muss ich ihn zu Ende lesen – die eigene Freude am Lesen darf nicht zu kurz kommen!“

„Ich muss wissen, wo sich meine Zielgruppe informiert.“

 

Zudem stützt sie sich auf Buchbesprechungen aus Zeitschriften. Dabei hilft ihr ein Readly-Abo. Über die App hat sie Zugriff auf ein großes Zeitschriftenspektrum. Auffallend ist, dass die älteren Semester immer mit denselben Zeitungsausschnitten kommen, zum Beispiel den Besprechungen in der Hörzu. „Wenn ich diese Titel dann schon im Laden habe, freuen sich die Kund*innen natürlich sehr und kommen gerne wieder. Es macht ja überhaupt nichts, wenn ich mich in einem Bereich noch nicht so gut auskenne – ich muss aber wissen, wo sich meine Zielgruppe informiert.“

Begeistert ist sie von Anabel, dem Einkaufsmodell der Genossenschaft eBuch. „Es ist großartig! Ich kann nichts damit falsch machen“, resümiert sie. Sollte sie sich in der Einschätzung eines Titels geirrt haben, schickt sie ihn zurück. „Das ist meine sichere Bank“, sagt sie. Die eVorschau hilft ihr dabei die richtigen Titel zu identifizieren und zeigt, welche Titel von den 800 Genoss*innen gut verkauft werden. Und natürlich gibt es da noch ihre Lieblingsbuchhandlungen, auf deren Webseiten sie die Buchempfehlungen der Kolleg*innen verfolgt.

Neben Büchern setzt Franziska Hampel auch auf ein ausgewähltes Non-Book-Sortiment, das zum Buch passt. Dabei hat sie für sich selbst Kriterien definiert, um die eigene Linie des Ladens beizubehalten. „Ich setze auf ein hochwertiges Sortiment und kaufe im Zweifel das Höherpreisige ein. Ich denke natürlich immer auch an die Marge!“ Das gilt nicht nur für Bücher, sondern auch für Nonbooks wie die zauberhaften Frühlingsblumen aus Filz, die sie für 17,90 € pro Stück verkauft.

Der Frühlingstisch in der Buchhandlung

Begeisterung ist ansteckend: „Am schönsten ist es, wenn Kund*innen untereinander ins Gespräch kommen und gegenseitig von ihren Lieblingsbüchern schwärmen. Oder wenn ich begeistert von einem anderen Buch erzählte, das zum gekauften passt und wir gemeinsam von einem Buch zum anderen kommen. Da muss ich an die Libri.Campus-Planung mit meiner ehemaligen Kollegin Caren Degen (Libri Marketing) denken – Resonanz! Liebe Caren, es hat mir immer großen Spaß gemacht, die Campusse mit Dir zu entwickeln!“

Doch noch einmal zurück zum Anfang. Bei der Übernahme der Buchhandlung, die eigentlich eine Neugründung war, hat sie sich auf das Wissen von Buchhandelsberater Klaus Bramann gestützt, der für Libri die Workshops und Seminare zur Gründung und Übernahme von Buchhandlungen macht. Das war nicht nur hilfreich im geschäftlichen Neuland für sie, es lag auch auf der Hand. Er war es, der im Kopf behalten hatte, dass Franziska Hampel reif für eine Inselbuchhandlung ist und die Libri-Kollegin auf die Idee brachte, sie anzuschreiben. So etwas nennt sich Fügung 😊.

Natürlich ist auch sie, selbst als erfahrene Planerin, durch die Höhen und Tiefen der Realität eines Umbaus gegangen. Die Handwerker fielen wegen Corona aus, die bestellten Präsentationstische kamen nicht, dafür sickerte urplötzlich Wasser durch die Decke des neuen Ladenlokals, in das sie vom alten Standort der Buchhandlung umzog. Doch letztlich ist es ihr gelungen, den eigenen hohen Anspruch herunterzuschrauben und sich zu fragen, was Kunden eigentlich an einem Eröffnungstag erwarten. Nämlich, dass die Ladentür offen ist, Bücher im Laden stehen und die Kasse funktioniert.

Niemand erwarte Perfektion! Niemand – außer man selbst.

Und so geschah es dann am 2. Januar 2022. Auch wenn am Vorabend dann doch noch die Nerven blank lagen, weil sich das EC-Gerät partout nicht mit der Kasse verbinden wollte. Wie gut, dass Partner, Familie und Freunde einem den Rücken stärken. Und so lautet ihr Rat an alle Neugründer*innen: Dass es am Ende hilft, seine Vorstellungen loszulassen im festen Vertrauen, dass sich schon alles lösen wird. Niemand erwarte Perfektion! Niemand – außer man selbst.

Eine Anekdote zum Schluss: „Vor der Eröffnung habe ich nicht einmal den mit Baustaub verdreckten Boden gewischt, sondern das Raclette-Essen mit Freunden genossen. Erst als im neuen Jahr die Sonne schien und es offensichtlich wurde, habe ich den Feudel (Norddeutsch für Wischmopp) herausgeholt. Als nächstes investiere ich in einen Saugwischer, damit ich nach Ladenschluss ein wenig mehr Zeit habe für das Leben auf der Insel und das Lesen.“


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2 Kommentare


  • Detlef Bauer

    Glück auf für Franziska


  • Selma

    Eine wirklich schöne Buchhandlung. Viel Erfolg, Franziska!


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