Erfahrungen auswerten und das Gute als Struktur etablieren

Wie gelingt die stimmige Marketingplanung einer Buchhandlung? Sannah Wagner-Göttsch von „Ein guter Tag“ stand uns Rede und Antwort.

6. März 2024 Lesedauer 6 min 0

Wie schön, liebe Frau Wagner-Göttsch, dass Sie uns einen Einblick in Ihre Marketing-Planungen geben. Was sollten wir ganz grundsätzlich über Ihre Buchhandlung „Ein guter Tag“ wissen?

Wir, mein Mann Axel Göttsch und ich, haben als Quereinsteiger 2015 unsere Buchhandlung in der zentral gelegenen Schweriner Altstadt gegründet. Unser 55 qm großes – oder kleines – Eckgeschäft liegt inmitten einer Fußgängerzone zwischen den Attraktionen Schloss und Dom und ist eine von fünf Buchhandlungen, Ketten inklusive, im Umkreis von zwei Kilometern. Unsere Kund*innen sind im Schnitt zwischen 25 und 65 Jahre, hauptsächlich sind es junge Familien, die auch gern ihre Verwandten zu uns schicken. Unsere Philosophie haben wir unter dem Begriff literarische Familienbuchhandlung zusammengefasst. Unser Sortiment zeichnet sich durch besondere, aber zugängliche Literatur jenseits des Mainstreams aus und durch Schmuck- und Geschenkausgaben, gern aufwendig gearbeitet und oder illustriert.

Was planen Sie an wiederkehrenden Marketing-Aktionen und welche Flächen haben Sie zu bespielen?

Unser Grundgerüst sind die „Einsätzer“. Circa alle sechs Wochen wird bei uns das Schaufenster neu gestellt. Begleitet werden die knapp 40 Schaufenster-Titel jeweils von einem kleinen Text, einem „Einsätzer“, der das Buch jenseits der Klappe vorstellt. Diese Texte werden außerdem in einem Blogpost als Buchempfehlungen zusammengefasst – dort sind sie jeweils mit einem Online-Shop-Link unterlegt – und werden via Social Media und Newsletter beworben.

Darüber hinaus haben wir einen langen Buchtresen im Eingangsbereich des Ladens, auf dem wir wechselnde, saisonal angepasste Themen wir Ferien oder Schulanfang, Ostern, Weihnachten oder den Indiebookday bespielen. Diese festen saisonalen Ereignisse werden schon bei der Sichtung der Kataloge mitgedacht und in einer jeweiligen Quimus-Merkliste gesammelt, um zu gegebenem Zeitpunkt ausgelöst zu werden. Wenn die Tresen gestellt werden, spiegeln wir die Titel als Saison-Liste in unserem Online-Shop.

Unsere Veranstaltungen planen wir eher auf Sicht – welche Autor*in bietet sich an, welches Buch begeistert uns und passt zu uns – haben jedoch für das Marketing ein festes Corporate Design, in das wir nur „reinarbeiten“ müssen und feste Zeitabläufe in der Bewerbungsphase. Wir machen Flyer und Plakate selbst, die bei uns vor Ort die Veranstaltung ankündigen und streuen via Social Media und Newsletter die Info in die Breite. Meist reicht das schon, um schnell ausverkauft zu sein.

Haben Sie einen Art Leitsatz, ein übergeordnetes Ziel, auf das alle diese einzelnen Aktionen abgestimmt sind?

Nachhaltigkeit und Authentizität sind die Begriffe, die unsere Philosophie am besten zusammenfassen. Es geht uns nicht um den schnellen Effekt, und die berühmte „Sau“, die durchs Dorf gejagt wird, sondern um eine Haltung, die für Qualität, Engagement und unsere Leidenschaft steht und die sich in unserem Handeln ebenso wie in unserer Auswahl ausdrückt.

Axel Göttsch und Sannah Wagner-Göttsch
Axel Göttsch
Bücher & Menschen – "Ein guter Tag" bei Instagram

Noch einmal zusammengefasst als Überblick: Welche Kommunikationskanäle nutzen Sie?

Bei Social Media nutzen wir Instagram und Facebook, die parallel geschaltet sind. Unseren Newsletter verwalten wir über eine Kontaktliste in Google. Er wird zu entsprechenden Anlässen wie Tipps, Veranstaltungen oder Infos in eigener Sache ausgelöst. Die Website ist eine Blogwebsite, die wir, wie schon erwähnt, anlässlich der Schaufensterwechsel bespielen. Plakatierung und Flyer werden selbst produziert und zumeist nur vor Ort verteilt bzw. aufgehängt. Auf klassische Pressearbeit und Anzeigen verzichten wir komplett, da unserer Erfahrung nach sich der Kosten-Nutzen-Faktor in Grenzen hält.

Wie planen Sie und wer plant?

Lange hat sich das Team Anfang Januar eines jeden Jahres gemeinsam auf eine kleine Reise gemacht und in einem schönen Hotel das alte Jahr wirtschaftlich ausgewertet und Ideen für das neue Jahr gesammelt. Corona und personelle Umstrukturierungen haben das die letzten Jahre ausfallen lassen. Geblieben ist aber, dass wir Ideen im Team sammeln. Wenn aus der Idee Umsetzung wird, werden die Aufgaben je nach Zuständigkeit verteilt. Wenn Details geklärt werden müssen, wird im Zuständigkeitskreis Rücksprache gehalten.

 

Nutzen Sie Ihre Mittagspause!

Unser Campus.Dialog findet regelmäßig während der Mittagszeit via Zoom statt. Dazu laden wir Expert*innen zu aktuellen Buchhandelsthemen ein. Sie haben als Teilnehmer*in die Möglichkeit, Fragen zu stellen und mit anderen Buchhändler*innen in den Austausch zu gehen. Bei unserem Campus.Dialog im März waren bei uns Frau Wagner-Göttsch, Herr Göttsch und Frau Köhn Ladenburger zu Gast, um zum Thema Marketingplanung von Buchhandlungen zu sprechen.

Welche „Werkzeuge“ nutzen Sie für Ihre Planung – Excel-Tabellen, Kalender …?

Da wir nur einen Arbeitsplatzcomputer im Büro haben, haben wir eine für alle einsehbare organisatorische Struktur geschaffen, in die jeder, themenbezogen reinarbeitet, grundsätzlich entscheidet dabei jeder Mitarbeitende selbst, welcher Office-Tools sie oder er sich bedienen will. Für die allgemeine Übersicht von wer, wann, wo nutzen wir einen Wand-Familienplaner, um Termine und Zuständigkeiten abzubilden. Alles darüber hinaus ist offene Kommunikation, die bei Abwesenheit auch über einen Signal-Teamchat geführt werden kann.

In welchen Intervallen planen Sie und für welchen Zeitraum?

Wir fahren stark auf Sicht. Bei uns gibt es kaum feste Intervalle außer Fenster und feststehende saisonale Aktivitäten, allerdings werden selbst die nicht schon Monate im Voraus festgelegt, sondern immer mitgedacht, aber erst ca. ein bis zwei Monate vor Umsetzung als Termin festgelegt. Da unsere Erfahrung dahingehend ist, dass Deadlines sehr schwer auf den Tag einzuhalten sind, bauen wir uns ein Zwei-Wochen-Polster ein. Wird das gerissen, verzichten wir auf die Umsetzung oder passen das Konzept an die neuen Gegebenheiten an. Veranstaltungen sind allerdings davon komplett ausgenommen, da der Termin bei Vertragsabschluss steht.

Regalflucht und Sessel
Buchhandlung „Ein guter Tag“ in Schwerin
Zwei Sessel für Bücherregalen
Postkarten und Bücher in der Buchhandlung "Ein guter Tag"
Kassenbereich der Buchhandlung "Ein guter Tag"

Welcher Planungstyp sind Sie – haben Sie das für sich klar? Und wie beeinflusst das die Art und Weise, wie Sie planen?

Mein Mann und ich sind agile Planer, die zwar durchaus auch langfristig denken, aber eher kurz- bzw. mittelfristig umsetzen. Das war für unsere Mitarbeitenden nicht immer leicht, die teilweise viel Wert auf Struktur und Berechenbarkeit legen. Inzwischen arbeite ich mit einem eigenen Kalender und klaren Absprachen, die mich besser strukturieren und im Bild halten. Dafür müssen unsere Mitarbeitenden uns aber auch immer wieder ins Bild setzen, damit wir alle auf einem gemeinsamen Stand sind.

Haben Sie das Gefühl Spielraum für Eigenverantwortung motiviert Ihre Mitarbeiter*innen?

Jein, das kommt sehr auf den Charakter des Mitarbeitenden an. Wir hatten eine Mitarbeiterin, die große Probleme hatte, sich auf unsere Philosophie einzulassen. Das schaffte so manch heikle Situation. Daraus haben wir gelernt, bei Vorstellungsgesprächen besonders zu betonen, wie wichtig für uns offene Kommunikation, Feedback und Absprachen sind. Das Mitdenken und Ideen unbedingt erwünscht sind, dass wir aber eben auch eine Struktur, ein „Image“ haben, in die das Ganze passen muss. Wer Lust auf diese Mischung aus Eigenverantwortung und Absprache hat und Teil einer Philosophie sein möchte, ist bei uns gut aufgehoben, wer sich eher selbst verwirklichen will ohne genau auf die Philosophie zu schauen, wird in unserem Konzept nicht glücklich.

Haben Sie einen Tipp für Kolleg*innen, die sich mit einer Planung schwertun oder hier noch nicht den „richtigen“ Modus für sich gefunden haben?

Unser Tipp ist, unbedingt offen und flexibel bleiben. Nicht sagen „Jetzt haben wir es angefangen, jetzt müssen wir es durchziehen“, sondern sich leise ausprobieren, nicht gleich die Sachen an die große Glocke hängen, und bereit sein zu akzeptieren, wenn man an seine Grenze stößt. Alles als Prozess wahrnehmen, aus dem man lernt. Erfahrungen auswerten und das Gute als Struktur etablieren, in die man nächstes Mal nur noch reinarbeiten muss und darüber sprechen, wie man das Schlechte besser machen kann. Und ganz wichtig, einen Kalender mit täglichen To-Do-Listen führen, so weiß man, wie viel Arbeit wann im Raum steht.

Axel Göttsch und Sannah Wagner-Göttsch

Sannah Wagner-Göttsch und Axel Wagner

Inhaber der Buchhandlung „Ein guter Tag“ in Schwerin

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