Sophie, Du bist bei TikTok Deutschland für BookTok zuständig. Was bedeutet das? Welche Themen und Projekte beschäftigen Dich?

Aktuell steht bei mir die Organisation unserer Aktivitäten rund um die Frankfurter Buchmesse im Vordergrund. Letztes Jahr hat TikTok wahnsinnig viel mediale Aufmerksamkeit auf der Messe erhalten und mit #BookTok neuen Wind in die Branche gebracht. Da sind die Erwartungen natürlich hoch, auch dieses Jahr wieder etwas Tolles auf die Beine zu stellen. Ohne zu viel verraten zu wollen: TikTok wird vor Ort sein und ein breites Angebot sowohl für Verlage, Creator*innen, Autor*innen, Nutzer*innen der Plattform als auch Personen, die noch gar keine Berührungspunkte mit TikTok oder #BookTok hatten, mitbringen.

Was unterscheidet die BookTok-Community von anderen Communitys auf TikTok?

Das Besondere an der #BookTok-Community ist neben dem wahnsinnig hohen Engagement und der großen Motivation ihr Effekt auch außerhalb der Plattform. Nutzer*innen treffen sich auf TikTok, entdecken und tauschen sich aus. Eben genau so wie ein Buchclub früher im eigenen Wohnzimmer, nur jetzt online und global vernetzt, um sich dann aber physisch im Buchladen ein Buch zu kaufen.

Wann hat TikTok gemerkt, da tut sich etwas und das wollen wir unterstützen?

Wir beobachten das Phänomen bereits seit einiger Zeit, nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA, UK, Frankreich, Italien etc. In Deutschland haben wir #BookTok zum ersten Mal so richtig im Oktober 2022 zur Frankfurter Buchmesse aufgegriffen.

Welchen Stellenwert hat BookTok inzwischen bei euch im Unternehmen?

#BookTok ist eine der wichtigsten Nischen-Communities auf der Plattform. Um der Community noch mehr Möglichkeiten zu bieten, sich auszutauschen und mehr Menschen für #BookTok zu begeistern, haben wir im letzten Jahr auf der FBM den TikTok BookClub gestartet – ein digitaler Buchclub auf unserer Plattform. Jeden Monat wird von fünf Creator*innen und der Community ein neues Buch besprochen. Bei der Leipziger Buchmesse folgte dann in Kooperation mit MediaControl die TikTok Bestsellerliste, in der einmal pro Monat die 20 erfolgreichsten Buchtitel der Community veröffentlicht werden. Und wir möchten auch weiterhin die Community, insbesondere Autor*innen, Creator*innen und Verlage zusammenbringen.

Buchcommunitys bei Social Media sind nicht neu. Warum hat gerade BookTok so einen großen Einfluss auf den Buchmarkt?

Ich denke, das hängt mit der Funktionsweise, die hinter TikTok steckt, zusammen. TikTok basiert auf dem sogenannten „Content Graph“ (andere Plattformen auf dem „Social Graph“). Das heißt, dass statt Personen oder Brands Inhalte im Fokus stehen und viral gehen können. Es kommt weniger darauf an, wie viele Follower*innen du hast oder wie bekannt du außerhalb der Plattform bist. Stattdessen stehen qualitativ hochwertige, kreative, spannende oder unterhaltsame Videos im Vordergrund. Das heißt also, dass bisher unbekannte Personen tolle Buchrezensionen auf der Plattform posten und damit über Nacht viral gehen können. Auf TikTok treffen sie ihre Peers, andere literaturbegeisterte Personen. Ihre gemeinsame Leidenschaft für Literatur steht im Vordergrund und nicht ihr persönliches Netzwerk.

Und noch einmal direkter: BookTok macht Bestseller. Wie geht das überhaupt?

Folgendes Szenario: Person X teilt eine Buchrezension auf TikTok, dieses Video geht viral und trifft auf sehr viel Anklang bei anderen Nutzer*innen. Daraufhin laden immer mehr Nutzer*innen ihre eigenen Rezensionen als Video hoch, teilen ihre Meinung und machen somit auf ihre eigene Art und Weise „Werbung“ für genau dieses Buch. Dies schlägt sich dann auch in den Verkaufszahlen nieder.

Hast Du eine Art Lieblingsgeschichte zu einem Buch, das durch TikTok bekannt wurde?

Bald! Im April haben wir auf der Leipziger Buchmesse mit mehreren Creator*innen zusammenarbeitet und sie u. a. mit Verlagen verknüpft. Einer der Creator*innen konnte so einerseits seine Reichweite auf TikTok steigern und andererseits vor allem auch seine Buchidee gegenüber Verlagen pitchen. Tatsächlich hat er nun einen Buch-Deal und das Buch soll im Frühling 2024 veröffentlicht werden. Ich freue mich wahnsinnig für ihn!

Auf der aktuellen BookTok-Bestsellerliste steht zum Beispiel auch Stefanie Stahls „Das Kind in dir muss Heimat finden“. Ändert sich gerade etwas in der Community? Gibt es eine Tendenz weg von New Adult & Co?

Absolut! TikTok hat anfangs im Bereich Young Adult & Romance Fuß gefasst. Nun sehen wir jedoch, dass immer mehr andere Genre auch auf #BookTok besprochen werden — dazu gehören u. a. Sachbücher. Ich finde es wunderbar, dass wir mit einer größeren Vielfalt an Genres noch mehr Personen auf TikTok für Literatur begeistern können.

Wie langlebig sind Trends auf TikTok? Und wie können Buchhändler*innen mit diesen arbeiten? Hast Du hier Tipps für uns?

Die Dauer von Trends ist immer unterschiedlich. Grundsätzlich würde ich Buchhändler*innen und Verlagen Folgendes raten:

• Seid selbst auf der Plattform aktiv und Teil der #BookTok-Community, um immer auf dem neuesten Stand zu sein.
• Schaut euch die „Trend Discovery Seite“ sowie die #BookTok-Bestsellerliste an, um gezielt nach Trends zu suchen.
• Arbeitet mit #BookTok-Creator*innen zusammen — sie sind am Puls der Zeit, stark in der Community verankert und haben daher sicherlich einige spannende Tipps und Tricks.

Vielen Dank für diesen Einblick!

In Ihrer Buchhandlung stehen seit kurzem Manga im Regal. Gab es irgendwelche besonderen Reaktionen von Kund*innen dazu?

Es gab sehr viele positive Rückmeldungen von Kund*innen jeder Altersklasse. Unsere jungen Manga-Kundinnen haben, nachdem sie mir erklärt hatten, das Regal sei nicht richtig eingeräumt, dieses selbst ein- beziehungsweise um-sortiert.

Da haben Sie von Ihren Kund*innen gelernt! Was für eine schöne Geschichte! Wie wichtig ist der Austausch auf Augenhöhe mit jungen oder jüngeren Kund*innen?

Sehr wichtig! Dadurch fühlen sich junge Menschen ernst- und als Kundinnen wahrgenommen. Des Weiteren finde ich den Austausch mit ihnen sehr wichtig für Empfehlungen an andere junge Kund*innen. Ich kann ihre Perspektiven mit in die Beratung einbeziehen.

Ist Ihnen die Entscheidung, Manga ins Sortiment aufzunehmen, leichtgefallen oder mussten Sie da erst einmal ein paar Nächte drüber schlafen?

Da wir bereits Manga-Bestellungen über unseren Online-Shop hatten, ist uns die Entscheidung sehr leichtgefallen.

Muss man selbst eine Manga-Expertin oder ein Manga-Experte sein, um die japanischen Comics verkaufen zu können?

Aus meiner Sicht ist das nicht zwingend notwendig. Die meisten Kund*innen, die beispielsweise bei uns Mangas kaufen, sind schon länger Manga-Leser*innen und wissen genau, welche Reihen sie lesen möchten.

Das zeigt eigentlich auch ihre Geschichte mit dem Umräumen des Regals: Man kann auch von den Kund*innen lernen, wenn ein Austausch auf Augenhöhe möglich ist. Haben Sie denn rund um die Einführung der neuen Manga-Titel besondere Aktionen geplant?

Wir haben bereits ein Manga-Schaufenster gemacht, dann haben wir ein Video zum Manga-Regal gedreht und es auf unseren Social-Media-Kanälen gepostet. Außerdem werden wir uns am 16.09.23 am Manga Day beteiligen.

Und wie sieht generell Ihre Bilanz nach 45 Tagen mit Manga im Laden aus?

Unsere Bilanz fällt sehr positiv aus. Seit wir das Manga-Regal haben, verkaufen wir auch jeden Tag Mangas.